Der dritte Tag startet, wie vorhergesagt, mit schlechter Sicht, Schneefall und Föhnsturm. Dieser wurde bei der Routenwahl bereits vor Anreise mit eingeplant und so steht anstelle von Großvenediger und Winterraum der Neuen Prager Hütte der Winterraum des Defreggerhauses auf dem Programm. Beide Gruppen verpassen die Abbiegung in den eigentlich geplante Bachlauf des Zettalumnitzbachs und nehmen den Normalweg zum Defregger Haus. Da die Sicht sich zwischenzeitlich verbessert hat, schafft es eine Gruppe, in den Bachlauf zu queren, die andere geht weiter zum Defreggerhaus. Gruppe 1 schafft es heute trotz widriger Verhältnisse wie geplant auf die Kristallwand (3309 m) und dann sogar weiter auf den Hohen Zaun (3451 m) und die Rainerhornscharte, bevor sie wieder zum Winterraum abfährt. Gruppe 2 startet nach gemütlichem Mittagessen im Winterraum hinein in den Föhnsturm, um auch bei diesen Wetterverhältnissen Führungserfahrung zu sammeln. Ohne die andere Gruppe zu sehen oder zu treffen, geht auch Gruppe 2 zum Hohen Zaun (3451 m) und bricht dann bei der Rainerhornscharte ab. Die Abfahrt im Whiteout auf fast ebenem Gletscher funktioniert dank GPS-Uhr erstaunlich gut. Der Winterraum ist von Gruppe 1 bereits eingeheizt, als Gruppe 2 zurückkommt. Gemütlich wird zusammen Schnee geschmolzen und gekocht.
Nach kurzer Nacht stehen wir morgens um 4 Uhr im kühlen Winterraum auf und starten in unseren letzten Tag. Heute haben wir unsere Königsetappe geplant: Wir wollen auf den Großvenediger und über das Untersulzbachkees ins Pinzgau abfahren. Den Teil bis zur Rainerhornscharte kennen wir ja bereits von gestern. Leider ist bis hierher die Sicht genauso schlecht wie am Vortag. Eine Gruppe geht noch aufs Rainerhorn (3559 m) die andere rutscht ab zum Rainertörl und macht sich daran, den unberührten Großvenediger (3656 m) einzuspuren.
Der Wettergott ist uns ab hier wohl gesonnen, die Sonne kommt heraus, die Wolken lichten sich teilweise und die Stimmung ist magisch: Bergeinsamkeit, herrliche Lichtspiele, am Gipfel windstill und warm, sodass wir die Rast auch wirklich genießen können. Vor lauter Freude wird ein Wolfsgeheul angestimmt. Nach langem Aufenthalt am Gipfel starten wir in unsere 2800-Höhenmeter-Abfahrt nach Neukirchen.
Wir haben 30 Zentimeter unzerfahrenen Pulverschnee! Freudenrufe erklingen und wir schwingen anfangs in Richtung Kürsinger Hütte ab. Doch auf halbem Wege haben wir heute die Variante von Klaus und Felix vor: über das sehr spaltige Untersulzbachkees hinab ins Tal. Wir fahren in zwei Gruppen, am Seil an den Spaltenzonen vorbei, ab. Richtig beeindruckt sind wir alle: Im Pulverschnee fährt es sich auch am Seil gut ab. Eine ideale Übung - wir sind ja immer noch im Skihochtourentraining.
An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an unsere beiden Tourenführer für so viel Vertrauen und zugesprochene Eigenverantwortung, dass wir auch diesen Teil der Tour selbst führen durften!
Nach dem Gletscher wird der Schnee weniger und schwerer, die Wegfindung mit durchgängiger Schneedecke wird zunehmend zur Herausforderung. Es geht durch Grünerlen, Lawinenkegel, Lawinenverbauungen, Flussläufe und, weiter unten, Bergwald zäh und fordernd durch immer nasseren Schnee dem grünen Tal entgegen. Irgendwann ist auch das geschafft, der letzte Schnee auf der Forststraße abgerutscht und mit Ski am Rucksack geht es die letzten sieben Kilometer ins Tal. Am Ende spurten wir uns etwas, schaffen ohne Wartezeit den Bus und fahren zurück nach München, wieder ohne Verspätungen - und sogar mit Abschlusspizza in Kufstein.
Eine rundum gelungene Tour: Wir konnte alle richtig viel lernen, mussten tourentechnisch trotzdem keinerlei Abstriche machen und haben eine anspruchsvolle Durchquerung erfolgreich abgeschlossen. Einfach Klasse!
Dominik Gelsheimer