© Monika Weiner

Teambuilding im Bruchharsch

Skitourenwochenende in Innervillgraten

06.02.2025

Freitagvormittag, Treffpunkt Gasthof Raiffeisen: Zwölf Teilnehmer und zwei Guides – Sonja Haber und Franz Bauer – klettern aus den Autos. Der erste Eindruck: Wau, sind das viele neue Gesichter und Namen! Nach einer vierstündigen Anfahrt sehen die Gesichter alle noch recht müde aus. Aber die Sonne, die von einem strahlend blauen Himmel scheint, lässt die Lebensgeister schnell erwachen. Also keine Zeit verlieren, Skier angeschnallt und rauf auf den Berg. Unser erstes Ziel: die Pürglersgungge 2500 m.  
Schon beim Anstieg wird klar: Mit Schnee ist das Villgratental in Osttirol in diesem Winter nicht gesegnet. Die Südseiten sind ausgeapert und entlang unserer Aufstiegsroute ist die Schneedecke löchrig. Immer wieder geht es über Gras und Felsen. Oben angekommen eröffnet sich ein traumhaftes 360-Grad Panorama, inklusive Blick auf die Drei Zinnen 
Als eher alptraumhaft entpuppt sich die Abfahrt: eine Mischung aus Bruchharsch sowie zerfahrenem und vereistem Schnee, dazwischen Steine. Jeder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sucht nach einer geeigneten Technik, um heil herunterzukommen. Spitzkehren und Pflugbögen erweisen sich als nützlich, Ansätze von Parallelschwüngen führen immer wieder zu Purzelbäumen. Das Einsammeln von Ausrüstungsgegenständen und havarierten Leidensgenossinnen und Leidensgenossen erweist als hervorragende Teambuilding-Maßnahme. Am Ende der Abfahrt kennt jeder die Namen aller Teilnehmenden: Verena, Susanne, Jan, Kilian, Horst, Markus, Stefan, Thomas, Willi, Alex, Harry und Monika. Im Tal angekommen sind sich alle einig: Schlimmer kann es kaum noch werden. 
Nachdem die Erwartungshaltung praktisch auf Null-Niveau gesunken ist, freuen wir uns umso mehr über die positiven Überraschungen, die dieses verlängerte Wochenende bereithält. Es beginnt schon beim Einchecken im Gasthof Raiffeisen – der heißt so, weil früher mal die Raiffeisenbank in dem Gebäude untergebracht war. Die Zimmer sind geräumig, im zweiten Stock steht uns eine Sauna zur Verfügung, nach der Tour gibt es Suppe und beim Abendessen Nachschlag für alle, die noch hungrig sind.  

Der zweite Tag beginnt neblig, doch schon nach wenigen Stunden Aufstieg erwartet uns die nächste positive Überraschung: Unser erster Gipfel, das Kalksteiner Jöchl 2326, liegt über den Wolken und wir rasten bei Sonnenschein und milden Temperaturen. Das nächste Ziel, der Mosesgungge 2552, ist von hier aus direkt oder mit einer zusätzlichen Nord-Abfahrt inklusive erneutem Aufstieg zu erreichen. Da es für keine der Optionen eine klare Mehrheit gibt, beschließen unsere Guides die Gruppe zu teilen. Beim Knobeln, wer mehr Höhenmeter machen darf, verliert Sonja und muss den direkten Weg nehmen, während Franz mit den ambitionierteren Teilnehmern noch die Extra-Runde drehen darf, bevor auch er den Gipfel des Mosesgungge erreicht. Die Abfahrt von dort ist – verglichen mit der Bruchharsch-Odyssee vom Vortag – ein purer Genuss mit Pulverschnee-Einlagen.   
Für den dritten Tag haben unsere Guides eine Rundtour über das Rote Kinkele geplant, doch dann kommt alles ganz anders: Franz hat über Nacht Fieber bekommen und muss das Bett hüten; alle anderen besteigen zwar das Rote Kinkele 2.763, können aber wegen Schneemangel auf der Rückseite nicht abfahren. Bleibt nur die Abfahrt entlang der Aufstiegsspur und die Suche nach unverspurten Schneefeldern zwischen den Felsen. Tatsächlich finden wir noch pulvrige Hänge für ein paar schöne Schwünge. Einige Teilnehmende sind so begeistert, dass sie gleich nochmal mit Sonja aufsteigen wollen. Die weniger aufstiegsorientierte Topfenstrudel-Fraktion will direkt zum Gasthof zurückkehren. Möglich ist die erneute Teilung der Gruppe durch die überdurchschnittlich hohe Führungskompetenz bei dieser Wochenendtour – Jan und Markus sind nicht nur Teilnehmer, sondern auch Guides und können für den erkrankten Franz einspringen.   
Am letzten Tag ist der Himmel wolkenverhangen. Tendenz laut Wetterbericht eher schlechter, für den Nachmittag ist Regen angesagt. Unser Tagesziel ist dementsprechend bescheiden:   das Marchkinkele 2.545. Auch an diesem letzten Tag teilt sich die Gruppe wieder auf in früh Ab- beziehungsweise Heimfahrer und die ambitionierteren Teilnehmer, die trotz diffuser Sicht noch den Gipfel erklimmen. Nach dem Buchharsch-Erlebnis vom ersten Tag ist auch diesmal die Erwartung an die Abfahrt eher gering, umso größer ist die Freude über einen butterweichen Firn, auf dem wir ins Tal zurückgleiten. Ein finaler Abfahrtsgenuss an diesem Wochenende voll positiver Überraschungen. 

Monika Weiner