© Klaus Miebach

Schneeschaufeln im Winterraum

Durchquerung vom Gschnitztal ins Ötztal

15.03.2024

Für unsere Durchquerung vom Stubaital ins Ötztal reisten wir mit der ersten Verbindung des Tages an: Zug und Bus brachten uns bequem und pünktlich zu unserem Ausgangspunkt ins hintere Gschnitztal. Wir, das sind Johannes, Konsti und ich mit den beiden USC-Kursleitern Klaus Miebach und Felix Kunzweiler. Eigentlich hätten wir mehr sein sollen, aber, wie so oft, schrumpfte die Gruppe kurz vor der Abfahrt.

Der Aufstieg zu unserem ersten Tagesziel war mühsam. Die Rücksäcke waren groß und mit Essen für vier lange Tage gefüllt, dazu kamen Schafsack, Seil und weitere Ausrüstung.  

Für den Aufstieg zur Hütte war ein steiler Aufschwung zu überwinden, den wir natürlich so schnell wie möglich hinter uns bringen mussten, da die tageszeitliche Erwärmung gegen uns spielte. Aber wir haben es geschafft und freuten uns bei unseren letzten Metern des Tages auf den frischen Kaiserschmarrn und das Kaffeekränzchen im Winterraum der Bremer Hütte. Doch daraus sollte nichts werden… 

Die letzten Benutzer des Winterraums hatten das Fenster und die Läden nicht geschlossen. Der gesamte Neuschnee der letzten Woche war offenbar vom Wind in den Winterraum verfrachtet worden. Also nichts mit Pause und warmem Tee, ersteimal mussten wir mit den Lawinenschaufeln den Schnee aus der Hütte schaufeln und die zugefrorene Tür mit Pickeln vom Eis der Dachrinne befreien. Und nicht nur das, wir erkannten sofort, dass auch kein Holz vorhanden war. Am ersten Tag gleich unsere Reservekocher verfeuern? Dann wäre unsere Durchquerung mit Winterräumen nicht mehr möglich gewesen. Nach Telefonaten mit der Bremer Sektion und dem Hüttenwirt konnten wir nach Wegschaufeln von einigen Kubikmetern Schnee noch ein paar Reste Brennholz finden, die wir mühsam mit dem Leatherman in ofengerechte Scheitel schneiden und den Abend damit noch retten konnten. Großes Glück auch für den Winterraum – die enormen Mengen Schnee hätten bei der Schmelze im Frühjahr sicherlich großen Schaden angerichtet.

Am nächsten Morgen klingelte unser Wecker schon sehr früh und wir starteten mit der ersten Dämmerung Richtung Nürnberger Scharte. Bei traumhaft schöner Stimmung ging es Richtung Nürnberger Scharte und unserem ersten Gipfelziel, dem östlichen Feuerstein. Diesen erreichten wir über mühsames Spitzkehrengelände und anschließendes Gehen am Grat. Unsere erste Abfahrt über weit und breit unverspurte Gletscher Richtung Nürnberger Hütte weckte schon einmal die Vorfreude auf weitere traumhafte Abfahrten.

Kurz vor der Nürnberger Hütte fellten wir aber wieder auf. Unser Tag war schließlich noch nicht zu Ende:  Wir wollten noch auf den Wilden Freiger, von dem uns allerdings noch einmal 1500 hm trennten. Diese kämpften wir uns durch viel Neuschnee, bei wechselnden Wetterverhältnissen und viel Wind hoch und erreichten schließlich den einsamen Gipfel. Hier hatten wir nun die Wahl zwischen den Winterräumen des Becherhauses und der Müllerhütte. Da wir am nächsten Tag über den Ostgrat des Wilden Pfaffs weiterwollen, fiel die Wahl auf die Müllerhütte.

Vom Gipfel bricht es sehr steil Richtung Übeltalferner ab, weshalb uns Klaus vom Gipfelkreuz in die Flanke abließ, bis wir eine durchgehende Schneedecke vorfanden und im steilen Gelände von Steigeisen auf die Skier wechseltn. Nach einer kurzen steilen Passage mit Bruchharsch folgte eine traumhafte Abfahrt über den Gletscher Richtung Müllerhütte. Ein Hang mit Triebschnee zwang uns noch zu einem Umweg, sodass wir die Hütte gerade noch im letzten Tageslicht erreichten.

Anstatt eines Holzofens im Winterraum erwartete uns hier allerdings ein Zettel mit der Aufschrift: „Winterraum mit Holzofen im Becherhaus“. Mist, wir haben uns für den falschen Winterraum entschieden. Für eine Planänderung Richtung Becherhaus war es schon sehr spät – die Sonne war bereits untergegangen. Es half also nichts, wir mussten unsere Gas- und Bezinreserve für das Abendessen aufbrauchen, alle Bekleidungsschichten anziehen und uns auf eine sehr ungemütliche Nacht vorbereiten.  

Nach kurzer, sehr kalter Nacht ging es am frühen Morgen weiter Richtung Ostgrat des Wilden Pfaffs. Im Winter ist dieser nicht anspruchslos, denn er enthält im oberen Teil einige ausgesetzte Stellen im II Schwierigkeitsgrat, die wir mit Fixseilen absicherten. Am Gipfel offenbarte sich dann die Nähe zum Skigebiet. Die ersten Skihochtouristen mit Seilbahnunterstützung waren schon auf den Weg Richtung Zuckerhütl. Nach einer kurzen Gipfelrast machten wir uns fertig für die nur kurze Abfahrt – wir wollten nämlich auch noch auf den höchsten der Stubaier! Am Einstieg waren wir dann leider nicht mehr allein und mussten mit der Masse die schneebedeckte Flanke aufsteigen. An den Engstellen bildete sich dabei immer wieder Stau. Nach einer nicht allzu langen Gipfelrast traten wir wieder den Rückweg an: Der Andrang war inzwischen unangenehm groß, sodass sich der Abstieg sehr in die Länge zog. Ach, wie schön waren doch die letzten beiden Tage außerhalb des Massentourismus!

Zurück auf dem Pfaffensattel ging es dann in unsere letzte Abfahrt des Tages Richtung Winterraum der Hildesheimer Hütte, die wir nach einem kurzen Gegenanstieg erreichten. Hier endete unsere Pechsträhne mit den Winterräumen: Vom Brennholzvorrat, über Trockentoilette bis Hüttenschuhe und sogar Licht mit Strom aus der Solarzelle war alles vorhanden. Nach der letzten Nacht im eiskalten Winterraum der Müllerhütte genau das, wonach wir und gesehnt hatten! 

Und so ging unser Plan dann doch noch auf: Ohne Nutzung der Infrastruktur des Skigebiets konnten wir unsere Tour am nächsten Tag, (fast) wie geplant, Richtung Hochstubaihütte fortsetzen. Von dieser trennte uns nur noch ein kurzer, von unten heikel aussehendem Aufstieg, der aber – mit großer Vorsicht – gut machbar war. Nach einer kleinen Pause im neu renovierten Winterraum der Hochstubaihütte stand dann noch unsere letzte Abfahrt mit 1800hm bei nun widrigen Wetterverhältnissen an. Die GPS-Uhren navigierten uns durch dichten Nebel an einigen steileren Abbrüchen vorbei Richtung Tal. Aus der Stein- und Schneewüste wuchsen langsam immer größer werdende Bäume, es ging vorbei an verlassenen Almen und schließlich am Ende auf einer Forststraße der nun schon sichtbaren Zivilisation entgegen. Die letzten paar Höhenmeter wanderten die Skier noch einmal auf den Rucksack und wir erreichten das schon apere Sölden bei strömendem Regen. Nach vier selbstversorgten Tagen durch die Stubaier Hochalpen gönnten wir uns hier noch eine hochverdiente Pizza, bevor uns Bus und Bahn wieder nach München brachten.

Amadeus Gebauer