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Mit Steileisgerät und Frontalzacken

Aufbaukurs Hochtouren am Taschachferner

11.08.2023

Für die meisten aus unserer Gruppe ging der Aufbaukurs Hochtouren bereits bei der Material-Ausleihe des USC los. „Steileisgerät“ stand auf der Ausrüstungsliste, die uns Kursleiter Manfred bereits vorab hatte zukommen lassen. Und so hielten die meisten von uns zum ersten Mal so ein Gerät in der Hand. Gespannt auf dessen Einsatz und voller Erwartung auf tolle Tage am Taschachhaus trafen wir (Pia, Marie, Marcel, Simon, Michael und Korbinian) uns morgens am vereinbarten Treffpunkt und fuhren gemeinsam mit Manfred ins Pitztal. Nach gefühltem Dauerregen im Juli sollten uns endlich viele Sonnentage erwarten. Angekommen am Parkplatz begannen wir mit schwerem Gepäck den Zustieg zu unserer Hütte. Bereits auf dem Weg erklärte uns Manfred, wie die Landschaft von Gletschern geformt wurde. Zusätzlich konnte man auf einigen Info-Tafeln die Gletscherstände über die Jahre verfolgen. Hier kam beim einen oder anderen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine nachdenkliche Stimmung auf: „Wie lange es wohl noch möglich sein wird, im Sommer auf einem Gletscher rumlaufen zu können?“.

Bei der ersten Übung zur „Selbstrettung aus der Spalte“ verflogen alle Grübeleien sofort, als wir vor der Hütte am Seil hingen und uns „hochprusiken“ sollten. Eine Prusik-Schlinge hier, eine dort und Stück für Stück nach oben. Wenn da nicht dieser lästige Bremsknoten im Weg wäre … Kreativität beweisen hieß es jetzt. Nach einiger Zeit hatte aber jeder den Dreh raus und Manfred musste nur hier und da ein paar Tipps und Hilfestellungen geben. Sichtlich zufrieden über das Können seiner Gruppe verkündete er, dass es am nächsten Tag auf den Taschachferner gehen sollte. Beim Abendessen stellte sich heraus, warum der Name Taschachhaus viel besser zu unserer Unterkunft passte als zum Beispiel der Name „Taschachhütte“: Denn wer erwartet hatte hier alleine zu sein, hatte weit gefehlt. Allerdings konnte die exzellente Verpflegung des Hüttenwirts bei uns punkten und mit vollem Bauch freuten wir uns auf einen weiteren sonnigen Tag.

Am zweiten Tag stand die Ausbildung im Eis im Vordergrund. Nach kurzem Zustieg auf den Taschachferner übten wir das Gehen mit Steigeisen. „Hier hoch, hier rüber, so und nicht so …“, erklärte Manfred. Nach kurzer Zeit folgte aus einer einzelnen Übung ein Sammelsurium aus Aufstiegen, Querungen und Abstiegen und alle waren begeistert wie gut die Steigeisen uns hielten. Um im Zweifelsfall im steilen Gelände auch wieder herunterzukommen, wurde mit einem Eissanduhrfädler, einem häkelnadel-ähnlichen Teil, wild in Eislöchern herumgestochert, die zuvor mit einer Eisschraube gebohrt worden waren, um damit eine Eissanduhr einzurichten. Natürlich durfte sich jeder mal daran abseilen, um die Haltekraft zu testen. Erfolgreich: alles hielt!  

Und jetzt sollte auch endlich das Steileisgerät zum Einsatz kommen. Manfred richtete an einem steilen „Eisübungswandl“ einige Toprope-Stationen ein und zeigt uns den Umgang mit Steileisgerät und Frontalzacken. Stück für Stück übten wir den Umgang damit und steigerten uns vom Nachstieg, zum Vorstieg mit Zwischensicherung, bis hin zum Standplatzbau inklusive Überschlag-Technik der Seilschaft. Die Kraft, mit der unsere Steileisgeräte im Eis hielten und die Anweisungen von Manfred gaben uns dabei das nötige Vertrauen in die Ausrüstung und unser eigenes Können. Sichtlich erfreut über unsere Fortschritte erzählte uns Manfred am Abend dann den Plan für den nächsten Tag. Die Tatsache, dass in dem Plan Wörter und Sätze wie „Gruselgrat“, „Abenteuer“ und „Ich kann nichts versprechen …“, vorkamen, waren Anlass genug, dass alle ganz aufgeregt ihre Rucksäcke bereits am Vorabend packten und wir uns früh zum Frühstück verabredeten. Und so ging es los ins Abenteuer.

Nach einer zu Beginn leichten Wanderung standen wir an einem ehemals von Gletschern überdeckten und von Felsplatten durchsetzen Schutthang. Der weitere Weg? Unklar! Unser nächstes Zwischenziel – ein Gletscher über uns – schien beinahe unerreichbar. Also stand die Frage „Wo geht’s lang?“ zur Debatte. Gemeinsam versuchten wir uns einen Plan zu überlegen und gingen von einem Punkt zum nächsten – wohlbedacht darauf, möglichst keine Steine loszutreten und nicht in einer Sackgasse zu landen. Eine beinahe Sackgasse konnten wir zum Glück mit einem von Manfred gelegten Fixseil gut mit der Gruppe überwinden. Endlich angekommen auf dem Gletscher sollte auch hier der Weiterweg durch die vielen Gletscherspalten wohlüberlegt sein. Und so kam es, dass an der Weggabelung zwischen weiteren „Abenteuern/Gruselgrat“ und dem Abstieg die fortgeschrittene Zeit uns zum Abstieg zwang. Die erst anfängliche Ernüchterung verflog allerdings sofort, als wir auf dem Rückweg eine große und weitgehend ausgetrocknete Gletschermühle fanden und jeder einmal abgelassen wurde. Nur hochkommen war natürlich wieder etwas komplizierter … „Wieso ist da schon wieder ein Bremsknoten im Seil?!“.

Am vorletzten Tag hatten wir uns eine Abschlusstour vorgenommen. Bestens trainiert von den letzten Tagen sollte der Gipfel der Sexegertenspitze bestiegen werden. Über einfache Wege und einen kurzen Klettersteig gelangten wir zum Sexegertenferner. Dort erwartete uns - Mitte August - ein ausgeaperter Gletscher mit riesigen Spaltenzonen. Wir versuchten unser Glück im Spaltenmeer. Gesichert an einer Eisschraube ging es als Erstes über eine ziemlich weiche Schneebrücke und anschließend teilweise gesichert über einen kurzen aber steilen Aufschwung. Die Frage, ob umdrehen oder suchen nach dem besten Durchschlupf, begleitet uns dabei stetig. Nur der Blick auf die Uhr verriet uns erneut, dass der Gipfel weiter weg war, als es schien. Und so entschlossen wir uns umzukehren, allerdings nicht ohne unsere erlernten Techniken erneut unter Beweis zu stellen. Gesichert an einer Eissanduhr überwanden wir die Steilstufe im Eis im Abstieg durch Ablassen und Abseilen. Angekommen an der Hütte bauten wir unsere Kenntnisse im Fels im Klettergarten vor der Hütte aus. Manfred erklärte uns kurz die Grundregeln des Standplatzbaus, ehe wieder das leckere Abendessen auf uns wartete. Am letzten Tag übten wir im Klettergarten das Klettern in der Seilschaft in „Mini-Seillängen“ mit behelfsmäßigen Ständen sowie das Abseilen. Jeder sollte so oft abseilen, bis es für jeden ein reines Vergnügen war und jeder Handgriff sicher saß. Mit dem Abstieg vom Taschauchhaus ging schließlich unser sehr lehr- und vor allem übungsreicher Kurs zu Ende. Vielen Dank Manfred!  

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