© Monika Weiner

Meine erste ÖPNV-Tour

Der Weg ist das Ziel

24.01.2024

„Montag, 15. Januar: Werktagsskitour in den Bayerischen Voralpen.  Das Ziel wird kurzfristig nach Verhältnissen festgelegt. Tour mit Bus und Bahn“, so stand es im Programmheft. Fand ich spannend: Mal eine Skitour ohne Auto – tolle Idee!  Also angemeldet, minimalistisch gepackt, die Skistiefel schon zu Hause angezogen und ab zum Treffpunkt am Hauptbahnhof. Jan Rehm, der Tourenführer,  hat den Zug nach Garmisch um 6.32 ausgesucht. Von dort soll es weiter gehen nach Krün. Unser Ziel: das Schöttelkar.

Die Wetterprognose ist wenig verheißungsvoll: Zunehmende Bewölkung mit schlechter Sicht, böiger, in der Höhe stürmischer Wind, Temperaturen im Tal um den Gefrierpunkt, in 2000 Metern Höhe um minus 10 Grad. Nicht gerade ideale Bedingungen für meine erste ÖPNV-Tour, aber ich freu mich trotzdem drauf: raus aus der Stadt, Schnee, Berge und garantiert viel frische Luft…

Sicherheitshalber nehme ich eine frühe U-Bahn – bei Öffis weiß man nie ­– und bin als erste am Hauptbahnhof. Kurz nach mir kommt Maggie und bald darauf auch Jan. Alle übrigen Teilnehmer haben abgesagt. Unsere Mini-Gruppe ist damit komplett und wir steigen in den Zug, der pünktlich losfährt, dann aber in Tutzing wegen eines Notarzt-Einsatzes länger stehen bleibt. Es geht mit 15 Minuten Verspätung weiter, bis wir in Garmisch ankommen, sind es 20 Minuten. Jan checkt im Minutentakt die weiteren Verbindungen in der Bahn-App: Den Anschluss-Bus erwischen wir nicht. Sollen wir noch umplanen? Den Zug nach Ehrwald nehmen und eine andere Tour machen? Klingt schön, geht aber nicht, denn auch dieser Zug ist schon weg. Die Schaffnerin fragt bei der Fahrdienstleitung nach, ob es noch Anschlusszüge gibt, die warten.  Leider ist dies nicht der Fall. Auch der Schienenersatzverkehr in Richtung Mittenwald wartet nicht auf verspätete Züge. Warum das so ist, bleibt ein Geheimnis der Bahn.

Am Garmischer Bahnhof angekommen bleibt uns nichts anderes übrig, als auf den nächsten regulären Bus in Richtig Mittenwald zu warten. Erste Lektion für ÖPNV-Tourengeher:  Eilig darf man es nicht haben. Zweite Lektion: Man sollte flexibel sein. Jan schlägt jetzt vor, mit dem Bus bis zum Isarhorn kurz von Mittenwald zu fahren, von dort südseitig aufzusteigen, eventuell über den Feldernkopf (2071 Meter) zu gehen und dann nordseitig über das Schöttelkar Richtung Klais abzufahren. Klingt phantastisch: Wir können eine Karwendel-Durchquerung machen und sind – weil wir keine Autos dabeihaben – völlig frei in der Auswahl des Ziels. Einzige Bedingung ist, dass wir an einer Bushaltestelle oder einem Bahnhof rauskommen.

Um 9.30 erreichen wir das Isarhorn und fellen die Skier auf. Drei Stunden Reisezeit von München bis Mittenwald ist schon beachtlich. Lektion drei: Auch beim ÖPNV gilt Murphys Gesetz – was schief gehen kann, geht schief.

Nach diesem etwas holperigen Start läuft alles wie geschmiert: Wir steigen im leichten Schneetrieben auf, genießen es, draußen zu sein und Schnee unter den Skiern zu spüren. Der erste Teil der Tour führt durch den Wald, die Sicht ist hier noch ganz passabel, wir kommen auf einem Forstweg gut voran. Eine Gämse kreuzt kurz vor uns den Weg und verschwindet zwischen den Bäumen.  Oberhalb der Waldgrenze dominieren dann allerdings die Wolken und ein eisiger Wind pfeift durch alle Zwiebelschichten. Die Sichtweite schrumpft auf wenige Meter. Im Gegensatz zur Bahn ist auf den DAV-Wetterbericht Verlass: Es ist exakt so scheußlich wie prognostiziert. Zum Glück gibt es GPS - ohne Satelliten wären wir nicht sicher, dass wir noch auf dem Weg zum Feldernkopf (2071m) sind. Erst kurz vor dem Gipfel lichten sich die Wolken ein wenig und öffnen den Blick ins Tal. Jetzt heißt es schnell abfellen, Helm auf, Jacke zu und fertigmachen für die Abfahrt. Keiner hat Lust auf eine Gipfelrast. Auf dieser Tour ist eindeutig der Weg das Ziel.

Die ursprüngliche Idee, über das Feldernkreuz zum Schöttelkar zu queren, verwerfen wir einstimmig: Bei der schlechten Sicht wäre eine Abfahrt im unbekanntem Gelände zu riskant. Also Abfahrt entlang der Aufstiegsroute: Die ersten Hänge sind ein pulveriger Traum, dann dünnt die Schneedecke allerdings stark aus, im Wald kommen Felsen und Baumstümpfe zum Vorschein, die umfahren werden müssen. Gleichzeitig heißt es Gas geben, wenn wir den Bus um 15.37 erreichen wollen. Und den wollen wir erreichen, weil der nächste Bus nach Garmisch erst in zwei Stunden fährt.

Wir schaffen es und stehen pünktlich an der Haltestelle. Der Bus nach Garmisch kommt zwar mit 10 Minuten Verspätung, aber früh genug für den Anschluss nach München. Wir können uns sogar noch mit Getränken für die Zugfahrt eindecken, bevor es wieder zurück geht in die Stadt.  Wir erreichen München Hauptbahnhof übrigens mir nur 15 Minuten Verspätung!

Fazit: Eine Skitour ohne Auto ist möglich. Der Erlebniswert ist enorm, man darf es nur nicht eilig haben. Hilfreich ist ferner gute Laune sowie ein hohes Maß an Flexibilität und Ortskenntnis, um kurzfristig umplanen zu können.

Monika Weiner